Claudia Haak 

Psychologie




Neue Wege
Plato hat es getan, genau so wie der französische Denker Jean-Jacques Rousseau oder der japanische Naturphilosoph Basho – sie alle sind gegangen. Denn beim Gehen hatten sie ihre besten Ideen. Rousseau lief stundenlang philosophierend durch das Paris des frühen 18.Jahrhunderts und Basho erwanderte Japan auf verschlungenen Pfaden, um die Landschaft und die Menschen zu erkunden. Und immer ging es diesen Männern auch darum, den eigenen Geist durch Bewegung zu befreien. Zu befreien von der Knechtschaft der Routine, den ewigen Grübeleien um das Immergleiche und von der Erledigung der kleinen und großen Dinge, die uns das Leben aufträgt. „Der Seele wegen muss man den Körper üben“, befand Rousseau. Und das scheinbar ziellose Spazieren, Schlendern oder Wandern scheint die beste Methode zu sein, seine Gedanken zu ordnen. Diese Erfahrung machte auch der britische Autor Gary Hayden, der weit davon entfernt ist, sich selbst für einen großen Philosophen zu halten. Aber als er sich entschloss, mit dem Wandern anzufangen, war er erstaunt, was in seinem Kopf passierte. „Ich hatte tiefe, neue Erkenntnisse und Ideen, die mir sonst wohl kaum gekommen wären“, erzählt er. Und er berichtet auch davon, wie sich dieses gehende Denken angefühlt hat – dass es so guttun kann, und dass es glücklicher macht. Aus der Medizin wissen wir mittlerweile, dass die Kraft des Gehens depressiven Verstimmungen entgegenwirken kann. Denn offenbar ist die Befreiung unseres Geistes durch Bewegung eine Strategie unseres Körpers, sich selbst zu heilen. Dabei kommt es offenkundig nicht darauf an, ein großer Philosoph zu sein oder ein erfahrener Wanderer. Es genügt, die Wohnungstür zu öffnen und den ersten Schritt zu machen, um das in uns zu wecken, was sonst vielleicht verborgen bliebe: unseren inneren Ideenreichtum, die heilsame Kraft unseres Geistes und die wunderbare Möglichkeit, auch in Gedanken neue Wege einzuschlagen. Und wer weiß, vielleicht führt uns das sogar zu ein wenig Weisheit. Denn eine wesentliche Erkenntnis, die der Japaner Basho auf seinen Wanderschaften machte, lautet: „Folge nicht den Fußspuren der Meister. Suche, was sie gesucht haben.“