Claudia Haak 

Kolumne


DU BIST SCHULD! Und jetzt?
Es sind diese drei kleinen Worte die mich immer wieder auf die Palme bringen. In den Augen meines Mannes war ICH schuld, wenn der Sekundenkleber nicht wie ein Sekundenkleber klebte, weil ICH den falschen Kleber gekauft hatte, irgendwann vor langer Zeit als ich einen Alles- und keinen Sekundenkleber brauchte. ICH war schuld, wenn MEINE Tochter (die eigentlich UNSERE Tochter ist, nur schlecht beleuchtet war es plötzlich MEINE) nachts um Mitternacht anrief, weil sie die S-Bahn verpasst hatte und daher nicht verabredungsgemäß nach Hause kommen konnte, weil ICH zu viel durchgehen ließ anstatt mal hart durchzugreifen. ICH war schuld, dass wir nie genug Geld hatten, weil ich das hart erarbeitete Geld meines Mannes in hohem Bogen aus dem Fenster geworfen habe. Beispiele dieser Art gab es viele. Meistens fiel ich zunächst bei derartigen Vorwürfen aus allen Wolken und hatte ein unausgesprochenes HÄH???? auf der Stirn, denn eigentlich war bis kurz zuvor die Welt vollkommen in Ordnung bis, ja bis mein Mann plötzlich das Haar in der Suppe entdeckte, morgens mit dem falschen Fuß aufgestanden war oder der 1. FC Köln mal wieder verloren hatte. Dann musste ganz schnell ein Schuldiger gefunden werden, weil sonst könnte er am Ende ja selbst schuld sein und das würde Arbeit bedeuten, Arbeit an ihm selber, damit es beim nächsten Mal gar nicht erst soweit kommt. Also war es für ihn einfacher, jemand anderem die Schuld in die Schuhe zu schieben und das Problem hatte nun der andere und er war fein raus.

Argumentativ kam ich in solchen Situationen zunächst nicht weiter. Mein Mann war in solchen Momenten dermaßen emotional geladen, dass jede Reaktion meinerseits in seinen Augen falsch war. Meistens fielen dabei auch achtlos ausgesprochene Schimpfwörter. Ich hatte mir angewöhnt zu sagen. „Wenn es dir hilft, dass ich schuld bin, dann sieh es so, aber damit löst du nicht dein Problem.“ Kurz darauf entschuldigte er sich für die im Affekt ausgesprochenen Beleidigungen und Beschuldigungen und meinte, damit wäre die Sache gegessen. War sie aber nicht.  Ein chinesisches Sprichwort sagt: Ein Wort ist schnell gesagt, bleibt aber lange im Gedächtnis. Die Russen nennen es: Das gesprochene Wort einmal ausgesprochen lässt sich nicht mehr einfangen. Es ist also durchaus hilfreich erst zu denken und dann zu reden.

Ein „Es tut mir leid“ ist schnell hinterher geschoben. Woher weiß ich, dass der andere es ernst meint und sein Verhalten zukünftig ändert? Ich finde, wenn jemand sich schlecht benommen und andere verletzt oder beleidigt hat, ist es angebracht, dass er die Dinge nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten wieder gut macht.

Eine Entschuldigung ist ein guter Anfang, aber wichtiger ist die Frage: „Was wirst du jetzt und in Zukunft anders machen?“ Offensichtlich glaubte mein Mann, er könnte sich so aufführen, solange er hinterher um Verzeihung bittet. Er erkannte nicht, dass es vor allem darum geht, in Zukunft nicht noch einmal denselben Fehler zu machen. Worte sind zunächst einmal nichts weiter als Worte. Der springende Punkt ist die Frage: „Was kannst du tun, damit das bestimmt nicht wieder vorkommt?“ Lakonische Antwort meines Mannes: „Dann müsste ich mich ändern.“ Genau. Denn nur so wird der andere sein Fehlverhalten korrigieren. Entschuldigungen sind nur von Wert, wenn der Betreffende auch willens ist, sein Verhalten zu ändern. Fazit: Taten sprechen lauter als Worte.

Gordon Livingston hat in seinem Buch „Zu früh alt und zu spät weise“ geschrieben: „Wenn jemand sagt: „Er ist oft rücksichtslos, aber ich weiß trotzdem, dass er mich liebt.“, sollte man sich fragen, ob man jemanden, den man liebt, wohl bewusst verletzen kann. Würden wir selbst so etwas tun? Könnten wir den Lastwagen lieben, der uns überfährt?“