Claudia Haak 

Kolumne



Das Glück der scheinbar kleinen Dinge
Vor vielen Jahren hatte ich bei der Aldi-Filiale in meiner Nähe einen PC zurücklegen lassen, den es dort im Angebot gab. Mein Sohn hatte so viel Geld zusammengespart, dass er sich diesen kaufen konnte. Dummerweise gab es das Angebot an einem Donnerstag, an dem ich arbeiten musste. Keine Chance für mich, dort morgens bereits bei Ladenöffnung vor der Türe zu stehen. Ich wusste, alles Technische ist bei ALDI heiß begehrt und schnell verkauft. Also dachte ich mir, ich frag einfach mal, ob ggf. die Möglichkeit besteht, mir diesen zurückzulegen. Der nicht nur gutaussehende, sondern auch sehr nette Filialleiter, betonte zwar extra, dass dies eigentlich nicht möglich sei, er aber gerne eine Ausnahme machen könne. Toll! Ich freute mich riesig. Als ich dann Donnerstagnachmittag den PC mit meinem Sohn abholte und mich an der Kasse meldete, sah mich die Kassiererin mit einem Lächeln an und meinte: „Wissen Sie eigentlich was Sie für ein Glück haben?“ Ja, das wusste ich. Und ich hätte als Dank den überaus attraktiven Filialleiter auch gerne persönlich abgeknutscht, aber erstens war er zum Glück nicht da und zweitens hielt mich meine gute Erziehung und die Tatsache, dass weder mein Mann noch seine Frau darüber amused wären, davon ab. Mein Mann konnte mein Glück dann auch nicht fassen, da mehrere Kollegen ihm bestätigt hatten, „zurücklegen“ gehe bei Aldi gar nicht. Er fragte mich also, was ich denn bitte angestellt hätte, damit eben solches möglich wäre? Durchdringender, argwöhnischer Blick auf mich. Jetzt bloß keine falschen Akzente setzen, dachte ich und antwortete: „Ähm, ich bin halt ein netter Mensch und der Filialleiter ist ein netter Mensch und außerdem habe ich einfach nur Glück gehabt. Er hätte schließlich auch Nein sagen können.“ „Quatsch, Glück gehabt“, schnaubte mein Mann verächtlich, „wer weiß, was du dem erzählt hast. Du wusstest doch, dass das eigentlich nicht möglich ist.“ Nein, wusste ich nicht, sonst hätte ich nämlich nicht gefragt. Das Glück ist also offensichtlich mit den Unwissenden.

Vielleicht bin ich tatsächlich ein Mensch, der das Glück in sein Leben zieht. Es gibt ja diesen Spruch: Das Glück ist wie ein Schmetterling, jage ihm nach und er entwischt dir, setz dich hin, und er lässt sich auf deiner Schulter nieder. Manchmal staune ich selbst, was mir alles so passiert. Zum Beispiel, als ich einen meiner einzig „echten“ Ohrringe, die meine Eltern mir zur Geburt meiner Tochter geschenkt hatten, verloren hatte. Ich hatte ihn tagelang erfolglos gesucht. Wochen später staubsaugte ich morgens in dem Schmuckladen, in dem ich zu dieser Zeit zusätzlich jobbte, und fand den Ohrring in einer Ecke auf dem Boden, kurz bevor ich ihn fast aufgesaugt hätte. Ich konnte es gar nicht fassen und war unendlich dankbar. Es hatte für mich den Anschein, als hätte ein Engel mir gerade den Ohrring „zufällig“ vor die Füße geworfen. Ich dankte auch meinen Kolleginnen, die seit Wochen beim Staubsaugen und Putzen diesen Bereich offensichtlich ausgespart hatten. 

Glück ist auf den Moment beschränkt und lässt sich nicht festhalten. Ich erinnere mich an das unendliche Glücksgefühl als meine Kinder geboren wurden. Dieses Gefühl ist unbeschreiblich und vergeht doch. Mir fällt dabei immer der Liedtext von Karat ein „Über sieben Brücken musst du gehen, sieben dunkle Jahre überstehen, siebenmal wirst du die Asche sein, aber einmal auch der helle Schein.“ Wie oft denken wir, dass das Glück nur anderen zufällt, weil wir z.B. mal wieder keine Gehaltserhöhung bekommen haben, die Kollegin den interessanten Job bekommt und andere im Lotto gewinnen. Wenn wir permanent Glück hätten, würden wir es gar nicht schätzen können. Meistens kommt es genau dann, wenn wir es nicht erwarten, unsere Vorstellung von etwas loslassen.

Eines Tages sollte ich für unsere interne Firmenzeitung einen Artikel schreiben. Ich tat mich schwer, waren es doch zuvor nur kleine Geschichten, die ich geschrieben hatte. Ein ganzes Wochenende schrieb ich, verwarf die Zeilen und versuchte es erneut. Als der Artikel fertig war, war ich zufrieden. Als Reaktion erwartete ich höchstens ein „gut gemacht“, „liest sich gut“, stattdessen, kam der Vorstand auf dem Gang auf mich zu und meinte: „Der Artikel ist Weltklasse!“, eine Kollegin umarmte mich sichtlich gerührt mit den Worten: „Du gibst einem mit dem, was du schreibst so viel.“ Ich konnte es mal wieder nicht fassen. Stand außerhalb von mir und dachte, so fühlt sich also Erfolg an. Erfolg, den ich bisher nicht wirklich kannte. Mittelmäßiges Abi, guter Studienabschluss, aber Lob war selten dabei. Ich genoss das Gefühl und war glücklich. In solchen Momenten fühlt man sich wie von ganz viel Sonne bestrahlt, als würde das Scheinwerferlicht für einen kurzen Moment auf einen scheinen. Wenn der Moment vorbei ist, ist auch das Gefühl vorbei und der Alltag hat einen wieder.

Glück sind die scheinbar kleinen Dinge, die wir nicht festhalten können. Ich fühle mich immer wieder berührt, wenn mich ein Kind anlächelt. Das macht mich glücklich. Glücklich macht mich auch, wenn jener nette Aldi-Filialleiter scheinbar völlig unberührt an der Kasse sitzt, kassiert, ohne die Miene zu verziehen und dann hochsieht, mich ansieht und lächelt. Es ist nur dieser Moment. Ein kleines Stück Verbundenheit. Ob es nun ein Flirt ist, der einen erfreut, das Vorgelassen werden an der Kasse oder andere kleine Dinge, die einem ein Lächeln ins Gesicht zaubern und für einen Moment den Alltag vergessen lassen. Glück ist eine innere Einstellung, JA zum Leben zu sagen und diese zauberhaften Momente zu bemerken. Achte einmal darauf und du wirst merken, wie viel Glück du eigentlich hast.