Psychologie
Es reicht oft schon, dass man über den Tag verteilt immer wieder innehält und seine Aufmerksamkeit mit der Frage nach innen richtet: Wie fühle ich mich gerade? Achte auf deinen Brust-Bauch-Raum und die körperlichen Empfindungen, die du wahrnimmst. Wenn du zum Beispiel ein Kribbeln, ein Ziehen, eine Enge, einen Druck verspürst, dann lenke deine Aufmerksamkeit in diesen Bereich. Und spüre, welches Gefühlswort dazu passen würde. Angst? Trauer? Scham? Wut? Oder Freude? Liebe? Erleichterung? Und dann kannst du dieser körperlichen Empfindung eine Frage stellen. Und diese Frage lautet: Was in meinem Leben macht es denn da so….drückend, kribbelig, herzklopfend oder was auch immer deine körperliche Empfindung ist. Diese Frage stellst du in das Gefühl und lässt aus diesem heraus eine Antwort entstehen.
Es ist ein sehr gutes Training, einfach nur in die Welt hineinzuschauen und zu gucken, was es da alles zu sehen gibt, und damit aufzuhören, sich mit den Augen der anderen (also mit unseren eigenen) selbst zu beobachten. Dann sieht man auch viel mehr und nimmt viel genauer wahr, was da draußen so alles los ist.
Ist ein Kind zu sehr in seinem Wunsch nach Autonomie und Kontrolle verstört worden, dann könnte es Glaubenssätze entwickelt haben wie „Ich bin dir ausgeliefert“ oder „Ich bin ohnmächtig“. Um diese möglichst nicht zu spüren, könnte der Erwachsene stark nach Kontrolle und Macht streben, weil das Kind in ihm ständig besorgt ist, in eine unterlegene Position zu geraten. Menschen mit einem starken Machtmotiv wollen immer die Oberhand behalten: im Gespräch, im Beruf, in der Beziehung. Nicht wenige leiden unter Beziehungsangst, weil das Kind in ihnen liebende Nähe mit Ausgeliefertsein verknüpft. Sie weichen Liebesbeziehungen aus oder stellen nach Momenten der Nähe wieder Distanz zum Partner her. Wenn das Schattenkind dieses Menschen jedoch schon resigniert hat, dann bindet es sich an Menschen, die es als mächtig und dominant erlebt und ordnet sich diesen freiwillig unter. Es wiederholt also die leidvollen Erfahrungen, die es schon mit mindestens einem Elternteil gemacht hat.
Wir Menschen sind im Unterschied zu den Tieren mit der Fähigkeit ausgestattet, uns selbst zu reflektieren. Allerdings gibt es himmelweite Unterschiede, in welchem Ausmaß Menschen von dieser Fähigkeit Gebrauch machen.
Kein Mensch ist vor Wahrnehmungsverzerrungen und Projektionen gefeit. Das passiert uns allen, ständig. Aber es gibt Menschen, die eine sehr starke, geradezu aggressive Abwehr von Selbsterkenntnis aufweisen. Mit diesen Menschen ist es auch sehr schwierig, oft unmöglich, ein konstruktives Problemgespräch zu führen. Durch ihre hartnäckige Weigerung zur Selbstreflexion steht man auf verlorenem Posten. Ihr Selbstwertgefühl ist zu fragil für ein Eingeständnis eigener Schuld.
Die Anerkennung ist sozusagen die Währung für die Bindung und den Anschluss an die Gemeinschaft. Mit unserem Bindungsbedürfnis geht einher, dass wir große Angst vor Ablehnung aufweisen. Das Problem – wie so oft – liegt also nicht in der Tatsache begründet, dass wir uns alle über Anerkennung freuen und uns ein bisschen schämen, wenn wir abgelehnt werden, sondern in dem Ausmaß das wir Anerkennung benötigen. Menschen, die geradezu süchtig nach Anerkennung sind, richten ihr Tun extrem danach aus und verlieren den Kontakt zu ihren wahren Wünschen und zum Teil auch zu ihren moralischen Werten.