Claudia Haak 

Psychologie

 


Du musst nicht von allen gemocht werden – Vom Mut, sich nicht zu verbiegen

Man kann einen Weg finden, die Dinge zu klären, ohne die Emotion der Wut einzusetzen. Denn Wut ist ein Werkzeug. Ein Mittel, um ein Ziel zu erreichen.

Wut ist eine Form der Kommunikation, aber Kommunikation ist möglich ohne Wut. Wir können unsere Gedanken und Absichten vermitteln und akzeptiert werden, ohne dass Wut notwendig wäre. Wenn man das durch Erfahrung lernt, wird die Wut ganz von selbst nicht mehr auftauchen.

Es ist nicht so, dass man nicht wütend werden darf, sondern es gibt keine Notwendigkeit, auf das Instrument der Wut zu setzen. Es ist nicht so, dass jähzornige Menschen einfach die Geduld verlieren – sie wissen nur nicht, dass es andere wirkungsvolle Kommunikationsmittel als Wut gibt. Deshalb sagt man schließlich so etwas wie: „Ich bin einfach geplatzt“ oder „Er bekam einen Wutanfall“. Wir verlassen uns am Ende auf die Wut, um uns mitzuteilen.

Wir haben die Sprache. Wir können durch Sprache kommunizieren. Glaube an die Macht der Sprache und die Sprache der Vernunft.

Egal, wie sehr man glaubt, im Recht zu sein, sollte man in jedem Fall versuchen, die andere Seite nicht zu kritisieren. Das ist eine Falle in zwischenmenschlichen Beziehungen, in die viele Leute gehen.

In dem Moment, in dem man überzeugt ist, in einer zwischenmenschlichen Beziehung recht zu haben, steckt man bereits in einem Machtkampf.

Zuerst einmal hat die Richtigkeit der eigenen Behauptungen nichts mit Gewinnen oder Verlieren zu tun. Wenn man glaubt, Recht zu haben, unabhängig davon, was andere Leute denken mögen, sollte der Fall hier und jetzt abgeschlossen sein. Trotzdem geraten viele Menschen schnell in einen Machtkampf und versuchen, die anderen dazu zu bringen, ihren Irrtum einzuräumen. Und deshalb denken sie, „einen Fehler zugeben“ bedeutet „eine Niederlage eingestehen“.

Wegen dieser Einstellung, nicht verlieren zu wollen, ist man nicht in der Lage, seinen Fehler einzugestehen, und als Folge dessen wählt man schließlich den falschen Weg. Fehler zuzugeben, Worte der Entschuldigung zu äußern und sich aus Machtkämpfen zurückzuziehen – all dies ist keine Niederlage. Das Streben nach Überlegenheit wird nicht durch die Konkurrenz mit anderen Menschen ausgetragen.

Es gibt zwei Ziele für das Verhalten, unabhängig zu sein und in Harmonie mit der Gesellschaft zu leben. Daraus ergeben sich für eine Psychologie, die dieses Verhalten unterstützt, folgende Ziele: das Bewusstsein, dass ich die Fähigkeit habe, und das Bewusstsein, dass die Leute meine Mitmenschen sind.

In der Beziehung zwischen Liebenden und in der Ehe gibt es Zeiten, zu denen einen alles, ab einem gewissen Punkt, auf die Palme bringt, was der Partner sagt oder tut. Zum Beispiel mag sie nicht, wie er isst, sein schlampiges Äußeres, wenn er zu Hause ist, widert sie an, und selbst sein Schnarchen regt sie auf, obwohl nichts davon sie noch vor ein paar Monaten gestört hat.

Diese Person fühlt sich so, weil sie an einem gewissen Punkt für sich selbst beschlossen hat: Ich möchte diese Beziehung beenden, und sie hat sich nach etwas umgesehen, was ihr den Stoff dazu liefern könnte. Die andere Person hat sich überhaupt nicht verändert. Es ist das eigene Ziel, das sich verändert hat. Die Menschen sind extrem egoistische Wesen, die in der Lage sind, jede beliebige Zahl von Fehlern und Unzulänglichkeiten in anderen zu finden, wann immer ihnen danach zumute ist. Es könnte jemand mit perfektem Charakter auftauchen, und man hätte doch keine Schwierigkeiten, einen Grund auszugraben, um ihn nicht zu mögen. Genau deswegen kann die Welt jeder Zeit zu einem gefährlichen Ort werden, und es ist immer möglich, jeden als Feind zu betrachten.

Es kommt nicht darauf an, womit man geboren wird, sondern welchen Gebrauch man von diesen Anlagen macht.

Wir sind nicht auf der Welt, um die Erwartungen der anderen zu erfüllen.

Sich so sehr zu wünschen, bestätigt zu werden, wird zu einem Leben führen, in dem man sich nach den Erwartungen anderer Leute richtet, die wollen, dass man eine bestimmte Art von Mensch ist. Mit anderen Worten, man wirft das weg, was man wirklich ist, und lebt das Leben anderer. Und bitte vergiss nicht: Wenn du nicht auf der Welt bist, um die Erwartungen anderer zu befriedigen, folgt daraus, dass die anderen nicht dazu da sind, deine Erwartungen zu befriedigen. Da tut jemand vielleicht nicht das, was man von ihm möchte, aber das ist kein Grund, um wütend zu werden. Es ist nur natürlich.