Psychologie
Du musst nicht von allen gemocht werden – Vom Mut, sich nicht zu verbiegen
Das Lernen ist die Aufgabe des Kindes. Wenn die Eltern so vorgehen, dass sie dem Kind befehlen, zu lernen, ist das im Grunde ein Akt der Einmischung. Man kann auf diese Weise kaum einen Konflikt vermeiden. Wir müssen immer im Blick haben, um wessen Aufgabe es geht, und ständig die eigenen Aufgaben von denen anderer trennen. Man mischt sich nicht in die Aufgaben anderer Menschen ein. Das ist alles.
Im Allgemeinen werden alle Beziehungsprobleme dadurch verursacht, dass man sich in fremde Aufgaben einmischt oder zulässt, dass sich andere in die eigenen einmischen. Eine Aufgabentrennung durchzuführen genügt, um die zwischenmenschlichen Beziehungen dramatisch zu verändern.
Es gibt einen einfachen Weg, wie man bestimmen kann, wessen Aufgabe es ist. Frage dich: Wer erhält am Ende das Resultat, das sich aus der Entscheidung ergibt? Wenn das Kind sich entschieden hat, nicht zu lernen, wird das Endresultat – im Unterricht nicht mitzukommen oder nicht auf die gewünschte Schule gehen zu können zum Beispiel – schließlich nicht die Eltern treffen. Es ist ganz klar das Kind, das die Konsequenzen tragen muss. Mit anderen Worten: Das Lernen ist die Aufgabe des Kindes.
Stelle es dir folgendermaßen vor: Sich in die Aufgaben anderer einzumischen und diese zu übernehmen verwandelt das eigene Leben in etwas Schweres und Mühsames. Wenn du ein Leben voller Sorgen und Leid führst – die von zwischenmenschlichen Beziehungen herrühren-, lerne zuerst die Grenze zu ziehen, die deutlich macht: Von hier an ist es nicht mehr meine Aufgabe. Und weise die Aufgaben der anderen zurück. Das ist der erste Schritt dazu, die Last zu reduzieren und das Leben einfacher zu machen.
Alles, was man in Hinsicht auf sein eigenes Leben tun kann, ist, den besten Weg zu wählen, an den man glaubt. Welches Urteil andere Menschen über diese Wahl fällen, steht auf einem anderen Blatt. Das ist deren Aufgabe – und man hat keinen Einfluss darauf.
Man macht sich Sorgen darüber, dass andere einen beobachten. Man macht sich Sorgen darüber, von anderen beurteilt zu werden. Deshalb giert man ständig nach Anerkennung von anderen Nun, warum macht man sich überhaupt Gedanken darüber, dass andere einen beobachten? Man hat die Trennung der Aufgaben noch nicht vollzogen. Man geht davon aus, dass selbst Dinge, die zu den Aufgaben anderer gehören sollten, die eigenen seien. Der Satz: Du bist der Einzige, der sich darum sorgt, wie du aussiehst“, trifft den Kern der Aufgabentrennung. Was andere denken, wenn sie dein Gesicht sehen – das ist deren Aufgabe und nichts, was du irgendwie kontrollieren kannst.
Zuerst sollte man fragen: „Wessen Aufgabe ist das?“ Dann nimmt man die Aufgabentrennung vor. Markiere in aller Ruhe eine Grenze, bis zu welchem Punkt die eigenen Aufgaben gehen und von wo es die Aufgaben von jemand anderem werden. Greife einerseits nicht in die Aufgaben anderer ein und erlaube es andererseits auch wirklich niemandem, in deine eigenen einzugreifen.
Zum Beispiel bei der Kindererziehung, wenn es dem Kind schwerfällt, sich die Schuhe zuzubinden. Eine vielbeschäftigte Mutter bindet sie vielleicht lieber selbst, als dass sie wartet, bis das Kind es allein schafft, einfach, weil es schneller geht. Aber das ist ein Eingriff, und sie nimmt dem Kind damit seine Aufgabe ab. Und als Ergebnis wiederholter Eingriffe dieser Art wird das Kind nichts mehr lernen und den Mut verlieren, seine Lebensaufgaben anzugehen. Kinder, denen nicht beigebracht wurde, Herausforderungen anzunehmen, werden versuchen, alle Herausforderungen zu umgehen.
Wenn man in der Weise lebt, die Erwartungen anderer zu erfüllen, und man sein Leben damit anderen überlässt, belügt man sich selbst, was am Ende dazu führt, dass man auch die anderen anlügt.
Der Mut zum Glücklich sein beinhaltet auch den Mut, nicht gemocht zu werden. Wenn du diesen Mut erlangt hast, werden deine zwischenmenschlichen Beziehungen auf einmal ganz leicht werden.
Man stellt die Erinnerung daran, geschlagen worden zu sein, in den Vordergrund, weil man nicht möchte, dass die Beziehung zum schlagenden Vater besser wird. Es ist dann bequemer die Beziehung zum Vater nicht in Ordnung zu bringen. Man kann die Tatsache, einen solchen Vater zu haben, als Ausrede dafür gebrauchen, dass das eigene Leben nicht gut lief. Das ist für viele etwas Positives. Manchmal will man auch einfach nur auf diese Weise Rache am Vater nehmen.
Man kann es so betrachten, als wäre es eine Beziehungskarte. Solange du denkst: Weil er mich geschlagen hat, habe ich eine schlechte Beziehung zu meinem Vater, ist es dir unmöglich, daran etwas zu verändern. Aber wenn du denken kannst: Ich habe die Erinnerung an das Geschlagen werden hervorgeholt, weil ich nicht möchte, dass meine Beziehung zu meinem Vater besser wird, dann halte ich die Karte in der Hand, mit der man Beziehungen kitten kann. Denn wenn du einfach das Ziel ändern kannst, kommt alles in Ordnung.
Viele Menschen denken, dass die andere Person die Beziehungskarten in der Hand hält. Deshalb fragen sie sich: Welche Gefühle empfindet diese Person mir gegenüber? – und am Ende leben sie nur noch danach, die Wünsche anderer Menschen zu befriedigen. Wenn sie aber die Aufgabentrennung begreifen, werden sie feststellen, dass sie alle Karten in der Hand haben. Das ist eine neue Art zu denken.
Denke einmal daran, was der Wunsch nach Anerkennung bedeutet. Wie sehr achten andere auf dich, und wie urteilen sie über dich? Mit anderen Worten: Wie sehr kommen sie deinem Verlangen nach? Menschen, die von einem solchen Wunsch nach Anerkennung besessen sind, wirken so, als würden sie sich für andere Menschen interessieren, während sie in Wahrheit nur auf sich selbst blicken. Ihnen fehlt das Interesse an anderen, sie sind tatsächlich nur um das „Ich“ besorgt. Mit einem Wort: Sie sind selbstbezogen.
Alle Menschen, die dem „Ich“ verhaftet sind, sind selbstbezogen. Und genau darum ist es notwendig, diesen Schritt vom „Interesse an sich selbst“ zur „Sorge um andere“ zu machen.
Man springt von den Protagonisten seines Lebens in die Rolle der Protagonisten der ganzen Welt. Aus diesem Grund kann man im Kontakt mit anderen nur immer denken: Was bringt mir diese Person? Allerdings wird diese Erwartung nicht bei jeder Gelegenheit erfüllt. Denn die anderen sind nicht dazu da, unsere Erwartungen zu erfüllen.
Dann, wenn diesen Erwartungen nicht nachgekommen wird, sind die Menschen tief enttäuscht und fühlen sich, als wären sie schrecklich verletzt worden. Und sie sind verbittert und denken: Der hat nichts für mich getan; die hat mich im Stich gelassen; der ist nicht mehr mein Freund. Er ist mein Feind. Menschen, die glauben, dass sie der Mittelpunkt der Welt seien, werden am Ende immer ihre Gefährten verlieren.
Man muss auf eigenen Füßen stehen und seine Aufgaben in den zwischenmenschlichen Beziehungen selbst anpacken. Es geht nicht darum: Was wird mir dieser Mensch geben? sondern eher darum: Was kann ich diesem Menschen geben? Das bedeutet Engagement für die Gemeinschaft.
Ein Zugehörigkeitsgefühl ist etwas, das man durch eigene Anstrengungen erreicht – nichts, was einem bei der Geburt geschenkt wurde. Gemeinschaftsgefühl ist ein vieldiskutiertes wichtiges Konzept.
Jeder gehört einer bestimmten Gemeinschaft an. Und letzten Endes gehören wir der Gemeinschaft der Erde und der Gemeinschaft des Universums.