Psychologie
Eine spezielle Form der Flucht und Vermeidung ist der Totstellreflex – die Betroffenen flüchten hierbei quasi in sich selbst, indem sie innerlich abschalten. Dieser Vorgang ist zumeist nicht willentlich gesteuert, häufig geschieht er reflexhaft und automatisch. Diese Schutzstrategie entsteht in den ersten Lebensjahren, wenn die Kinder weder weglaufen noch sich wehren können, sondern ihnen lediglich die Möglichkeit verbleibt, innerlich aus dem Kontakt zu gehen und möglichst nichts zu fühlen. In der Fachsprache heißt dieser Selbstschutz Dissoziation.
Die Betroffenen gehen innerlich offline, wenn sie sich im Kontakt mit anderen Menschen überfordert fühlen. Das Gegenüber spürt dann sehr deutlich, dass der andere innerlich abwesend ist. Menschen, die zur Dissoziation neigen, können sich schlecht innerlich und äußerlich abgrenzen. Das heißt, sie nehmen die Schwingungen und Stimmungen der anderen stark in sich auf und fühlen sich für diese verantwortlich. Ihre Antennen sind also permanent auf Empfang gestellt, und dies kann in ihnen starken Stress im zwischenmenschlichen Kontakt erzeugen. Sie fühlen sich durch ihre perforierten inneren Grenzen schnell von der Nähe eines anderen Menschen überflutet. Die Betroffenen beschützen sich jedoch nicht nur durch den inneren, sondern auch gern durch den äußeren Rückzug. Sie fühlen sich am sichersten, wenn sie allein sind. Das Kind in ihnen hat die Erfahrung gemacht, dass zwischenmenschlicher Kontakt Stress bedeutet. Entweder weil sie sich von einer bedürftigen und schwachen Mutter oder einem bedürftigen und schwachen Vater nicht richtig abgrenzen durften oder weil sie Eltern hatten, die sie als bedrohlich erlebt haben.
Wenn sich ein Kind stark den Erwartungen seiner Eltern unterordnen muss, dann kann es sich nicht angemessen behaupten. Stattdessen trainiert es, seine Antennen auszufahren, um möglichst rechtzeitig auf die Stimmungen und Wünsche seiner Eltern reagieren zu können. Besonders schwierig wird es für das Kind, wenn die Eltern ihre Normen nicht mit Strenge und Autorität durchsetzen, sondern in dem sie dem Kind signalisieren, dass sie enttäuscht sind, wenn es sich nicht nach ihren Wünschen verhält. Ein Kind, dessen Mutter traurig reagiert, weil es nicht ihre Erwartungen erfüllt, hat keine Chance, sich von ihr abzugrenzen. Denn es empfindet Mitleid für die traurige Mutter, und es fühlt sich schuldig und verantwortlich für deren Kummer. Deswegen macht es „freiwillig“, was Mama möchte, damit diese glücklich und zufrieden ist. Ein Kind, dessen Mutter hingegen wütend reagiert, wenn es ihre Erwartungen nicht erfüllt, hat viel bessere Chancen, zu denken: „Blöde Kuh!“, und sich hierdurch wenigstens innerlich abzugrenzen.
Ein Kind kann auch verinnerlichen, dass man Beziehungen nur über sich ergehen lassen, aber nicht aktiv mitgestalten kann. Je mehr man dann als Erwachsener das Gefühl gewinnt, dass man dem Partner nicht einfach nur ausgeliefert, sondern eigene Rechte in der Beziehung hat, desto mehr kann man die Nähe zum Partner genießen, anstatt aus der Beziehung zu flüchten.
Narzissten haben ein ausgeprägtes Gespür für die Schwächen ihres Gegenübers, die sie gern in Form von ätzender Kritik verbalisieren. Narzissten können ihre eigenen Schwächen nicht ertragen und ertragen sie deswegen auch nicht bei ihren Mitmenschen. Indem sie sich aber auf deren Schwächen fokussieren, verlieren sie die eigenen aus dem Blickfeld. Mit ihrer Kritik lösen sie dann bei ihren Mitmenschen genau jene Gefühle aus, die sie selbst nicht spüren wollen: eine tiefe Verunsicherung und Minderwertigkeit. Bei Narzissten tritt das Prinzip der Täter-Opfer-Perversion besonders deutlich zutage.