Claudia Haak 

Partnerschaft


Zu lieben ist die Fähigkeit, wach und aufmerksam sensitiv wahrzunehmen, mit offenem Herzen, mit Aufgeschlossenheit. Man macht die Fenster der Seele weit auf und lässt hereinkommen, was der Tag, die Stunde, der Augenblick bringt.

Wer Treue sucht, dem bedeutet Treue mehr als Liebe, und er sollte deshalb auch von Treue reden, nicht von Liebe.

Die Liebe entfaltet sich im Augenblick, und der Augenblick enthält Ewigkeit. Das ist jedoch nicht gemeint mit der „ewigen Liebe zu ein und demselben Partner“. Diese Liebe gibt es nur von Augenblick zu Augenblick, und jeder Augenblick ist anders.

Die Liebe ist in ihrer reinen Form am schönsten, wenn sich zwei Menschen ohne Gedanken an Besitz begegnen und nur sich selbst sehen, also sich und den anderen nicht als Ware betrachten.

Konzentriere dich auf deine Liebe und nur auf sie. Liebe will Liebe geben, fördern, Zärtlichkeit geben, aufmerksam betrachten, Respekt haben. Wer sich darauf konzentriert, der ist liebesfähig und wird durch seine Liebe glücklich werden. Wer besitzen will und Angst hat, wird seine Liebesfähigkeit schwächen und alles verlieren.

Wenn ein Mensch liebesfähig ist und Bereitschaft zur Liebe besitzt, dann kann er sich leicht verlieben, und jede Verliebtheit hat zunächst die gleiche Qualität.

Die Bewertung erfolgt etwas später, wenn die sexuelle Intimität erfolgt ist und man mehr voneinander weiß. Dann setzt der Verstand ein, der sich Gedanken macht: sozialer Status, Beruf, Weltanschauung, Religion, Lebensphilosophie, Bildung, Geld usw. Überlegungen zu diesen Problemkreisen haben nichts mit dem Gefühl der Liebe zu tun, denn hierbei geht es um die Frage: Will man mit diesem Menschen eine Partnerschaft eingehen und eventuell eine Ehe gründen? Der Verstand stellt die Frage: Ist es die eine große Liebe? Diese Überlegung hat nichts mit der Liebe zu tun, darüber muss man sich klarwerden, sondern sie ist eine Testfrage, bei der andere Faktoren als die Liebe ins Spiel gebracht werden. Geht der Test positiv aus, ist man also mit Status, Bildung, Beruf, Lebensphilosophie, Religion und Lebensstil des Partners einverstanden, ist man bereit, die Liebe sich weiter entfalten zu lassen; geht der Test jedoch negativ aus, überwiegen also die Bedenken, betrachtet man die Beziehung kritischer, man beginnt sich zu zanken – und dann war es nicht die große Liebe. Nun wird immer wieder der Einwand vorgebracht, es gäbe die ganz große Leidenschaft, die sich über Status, Bildung usw. hinwegsetzt (Adliger heiratet Bürgerliche, Industrieller heiratet Arbeitertochter), und darauf käme es an. Darauf basieren die meisten spannenden Liebesromane, sie vermitteln die schöne Geschichte, in der die Liebe über den Verstand triumphiert. Und so möchte jeder geliebt werden, gegen alle widrigen Umstände, nur um seiner selbst willen, alle Grenzen der Bildung, der Nationalität und Religionen überschreitend; das ist dann eine wirklich große Liebe.