Claudia Haak 


Psychologie


Unsere Seele kennt und weiß alles
Das ist unsere Welt von heute: Das, was wir sagen und das, was wir denken, klafft auseinander, ja widerspricht sich. Wir sind unehrlich zueinander, ja zu uns selbst. Wir haben immer noch nicht begriffen, dass unsere Seele mit allen Seelen auf der Welt so eng verbunden ist, dass keine Seele etwas denken, fühlen, empfinden kann, ohne dass nicht alle Seelen auf dieser Welt es in seinem ganzen Ausmaß mitbekommen würden.
Wenn zwei über einen Dritten in dessen Abwesenheit lästern, erfährt das dessen Seele, als wäre er direkt dabei. Wir sprechen gerne davon, uns würden die Ohren klingeln, wenn andere über uns reden. Könnte es nicht doch sein, dass da wirklich etwas dahintersteckt, dass sich auf diese Weise unsere Seele bemerkbar macht?
Jeder von uns spürt es umgehend, wenn er betrogen wurde, jeder kann Richtigkeit und Falschheit einer Aussage umgehend erkennen, wenn er auf seine Seele hört. Damit ist diese Welt aber geprägt von Misstrauen und Feindschaft. Man könnte tatsächlich sagen: Die Lüge ist das größte Unheil, von dem alles andere Böse ausgeht. Und wir alle lösen damit unbedacht und unbewusst unentwegt neues Unheil aus.
Dabei sollte uns doch endlich klarwerden: Ich kann mich von anderen nicht isolieren. Und wären Fenster und Türen noch so dicht verschlossen: Die ganze Welt würde erfahren, was ich dahinter treibe. Und je nachdem was das ist, kann es mich schuldig werden lassen.
Denken wir beispielsweise an die Übersexualisierung unserer Welt. Auch der Sexualverbrecher ist kein Einzelwesen auf dieser Erde, sondern ein recht unglücklich veranlagter Mensch, der pausenlos von anderen angeregt, provoziert und animiert wird. Wenn er sich nicht mehr beherrschen kann und durchdreht, sind dann nicht Millionen mitschuldig geworden? Gibt es überhaupt eine Schuld auf dieser Welt, an der nicht alle Menschen zumindest am Rande mitschuldig geworden wären?
Wir können nicht miteinander leben, ohne miteinander zu sprechen, doch wir können es, sobald wir uns darum bemühen, Aussage und Denken und Empfinden auf einen Nenner zu bringen – im Wissen darum, dass im Moment das, was ich sage, auch echt ist und auch als echt und wahr verstanden wird. Das wird nicht gleich auf Anhieb gelingen. Doch je intensiver wir uns darum bemühen, auch in Kleinigkeiten diese einzig wahre Form der Ehrlichkeit zu leben, umso schneller wird das Gespräch wieder in Gang kommen. Einfach deshalb, weil die Seele des anderen erfährt, dass das was ich ihm sage, nicht länger nur ein So-tun-als-ob ist.
Dann mögen immer noch verschiedene Ansichten und Erwartungen gegeben sein. Sie lassen sich aber bewältigen. Wir dürfen einander nur nicht den Rücken zukehren, sondern müssen aufeinander offen und ehrlich zugehen.
Im Zen-Buddhismus geht man davon aus, dass jede Frage die Antwort bereits in sich trägt. Sobald du akzeptierst, dass du vom Gewahrsein geführt wirst, kann ein Durchbruch erfolgen. Wenn du dich auf diese Möglichkeit einstimmst, trittst du wieder zu deiner Seele in Verbindung, die nichts anderes ist, als Gewahrsein in seiner offensten Form.
Jeder Mensch, der einen Lebensinhalt hat, selbst wenn dieser sich darauf beschränken sollte, bloß den Tag zu überstehen, folgt seiner inneren Führung. Aber wie klug, wie weise ist diese innere Führung? Das ist die entscheidende Frage. Und die Antwort lautet: Deine Seele verfügt über das Potential, dich in vollendeter Weise zu führen.
Bitte einfach aufrichtig um Führung. Und warte dann darauf, dass sie sich zeigt.
Wenn du im Alltag auf Hindernisse stößt, dann hast du zuvor innere Hindernisse errichtet. Diese blockieren den Lebensfluss, der von der Seele über den Geist zum Körper strömt. Wäre der Fluss nicht blockiert, würde er dir alles bringen, was die Seele zu bieten hat. Die Seele stellt dir einen offenen Kanal zur Verfügung. Bitte darum, die Wahrheit über etwas zu erfahren, dann wird dir die Wahrheit eingegeben werden. Frage nach der Lösung für ein Problem, so wird sie sich dir eröffnen. Darum heißt es im Buddhismus, dass jede Frage bereits im Augenblick der Fragestellung mit der ihr zugehörigen Antwort Hand in Hand geht.
Wir lernen frühzeitig, uns abzurackern. Das Tragische daran ist: Wir lernen es zu früh, um begreifen zu können, dass wir diese Unschuld und unkomplizierte Leichtigkeit eigentlich niemals preisgeben dürften. Nur in Unschuld kannst du die Gaben der Seele empfangen. Sobald du hingegen akzeptierst, dass du dich abrackern musst, dass du zu kämpfen hast, um zu überleben, wird diese Vorstellung zu deiner Lebenswirklichkeit. Und die bekommt ihre eigene Energie, entwickelt eine Eigendynamik. Dein Gehirn lernt schnell, sich darauf einzustellen, und sobald es entsprechend konditioniert ist, steht für dich fest, wie deine Welt aussieht, wie sie sich anfühlt und anhört – bis du dich aus dieser Konditionierung wieder befreien kannst.
Die Seele braucht nichts anderes zu tun, als durch ihre Ausstrahlung zu wirken.
Eine Offenbarung ist ein Mini-Durchbruch. Ein kleines Stück weit werden die Fesseln unserer Konditionierung gesprengt. Statt Opfer einer starren Überzeugung zu bleiben, fühlst du dich befreit. Wie kommt ein Mini-Durchbruch zustande? Dazu musst du deine Aufmerksamkeit der Seele zuwenden. Denn sie ist dasjenige an dir, dass keiner Konditionierung unterliegt. In diesem Sinn repräsentiert die Seele höheres Gewahrsein – sie ist frei von aller Konditionierung. Einfacher ausgedrückt: Die Seele sagt niemals Nein. Alles ist möglich. Was immer man sich vorstellen kann, wird wahr. Wenn du die Aufmerksamkeit auf die Seele gerichtet halten kannst, wirst du jeden Tag eine Offenbarung erleben. Anstelle eines Neins wirst du ein uneingeschränktes Ja erfahren.
Über den Macht- und Einflussbereich des Neins hinauszugelangen ist von allergrößter Bedeutung. Dieses Nein wirkt sehr überzeugend. Menschen weisen alle möglichen Erfahrungen zurück, weil sei der Meinung sind, damit das Richtige zu tun. Und sie widersetzen sich ihnen, weil sie sich nicht dazu aufraffen können, es nicht zu tun.
Falls du das Gefühl hast, du wärst einer schlechten Gewohnheit zum Opfer gefallen, solltest du dich fragen, warum du es nötig hast, dich als Opfer zu fühlen. Ist das für dich vielleicht eine bequeme Möglichkeit, keine Verantwortung übernehmen zu müssen?
Wenn du das Gefühl hast, von zwanghaften Mustern nicht loszukommen, solltest du dich fragen, wovor du Angst hast. Wiederholung ist die Maske der Angst.
Kämpfe, wenn du tatsächlich Angst hast, nicht gegen deine Angst an.
Wenn du dich wieder beruhigt hast und dich sicher fühlst, dann rufe dir die Angst in Erinnerung, um sie eingehend zu untersuchen.
Angst besitzt große Überzeugungskraft. Das muss aber nicht heißen, dass sie gerechtfertigt ist. Stelle sicher, dass du dir über diesen Unterschied im Klaren bist.
Die Angst neigt dazu, sich zwanghaft mit Dingen zu beschäftigen, die Angst auslösen könnten, und somit selbst das Feuer zu schüren. Fall nicht auf diese Art von Wiederholung herein. Eine Situation wird nicht dadurch gefährlicher, dass du meinst, sie sei gefährlich.
Unterscheide zwischen der Angstenergie und dem Gehalt deiner Erfahrung. Geh, statt über die Sache, die dir Angst macht, den Kopf zu zerbrechen, direkt zum Angstgefühl und bringe die Energie ebenso in Bewegung, wie du jede andere Energie in Bewegung bringst: indem du sie mithilfe körperlicher Entspannung freisetzt.
Mach dir klar, dass du nicht deinem Wesen nach ängstlich bist. Angst ist eine vorübergehende Emotion, die man freisetzen kann.
Erkenne, dass du die Wahl hast, an deiner Angst festzuhalten oder sie loszulassen. Ergreife, falls du Angst verspürst, gleich die nötigen Schritte, um loszulassen. Reite nicht auf der Angst herum und versuche nicht, mit ihr zu diskutieren.
Vermeide es, dir Vorwürfe zu machen. Angst ist ein allgemein menschlicher Zug. Auch die stärksten und tapfersten Menschen verspüren Angst. Angst zu haben bedeutet nicht, dass du schwach bist. Vielmehr heißt es, dass du noch nicht losgelassen hast.
Hab Geduld mit dir. Angst und Besorgnis sind für jeden von uns die größten Hindernisse. Jedes Mal, wenn du die Angst überwindest, hast du allen Grund, dankbar zu sein und dich zu beglückwünschen.
Betrachte es nicht als Niederlage, wenn die Angst zurückkehrt. Bald wird die Zeit kommen, da du ruhig dasitzen und die Angstenergie in Bewegung bringen kannst. Schließlich bist du ja derjenige, der die Fäden in der Hand hält.
Sei nicht darauf fixiert, immer recht zu haben. Recht haben zu wollen ist nur ein Vorwand, um andere Menschen ins Unrecht setzen zu können. In den Schatten verbirgt sich insgeheim die Furcht, mit dir sei etwas nicht in Ordnung. Deshalb ringst du so sehr darum, den Eindruck von Unfehlbarkeit zu erwecken – du meinst, das mache dich gut.